Carsharing: Forschung zu einer Anwendung aus der Share Economy
Dieses Mal einen Beitrag aus dem Bereich „Forschung zur Share Economy“. Wir beginnen mit Autos: Eines der ersten Angebote der Share Economy war das Carsharing, das schon in den 1990ern angeboten wurde. „Erfunden“ wurde das Konzept angeblich in Berlin, was irgendwie passt, schließlich wurde ja auch das Auto in Deutschland erfunden. Seitdem ist die Anzahl der zu leihenden Autos ebenso wie die Anzahl der Nutzenden stetig gestiegen, wie die folgende Abbildung von carsharing.de zeigt:
Forschung zeigt, warum Menschen Carsharing nicht nutzen und was Bibliotheken der Dinge daraus lernen können
Dennoch ist nicht alles gut, weil die meisten Menschen Carsharing eben nicht nutzen und viele neue Anbieter auch rasch wieder vom Markt verschwinden. Forschende der Universität Hohenheim haben nun herausgefunden, woran das liegt. Die Ergebnisse sind interessant für alle, die in ihrer Stadt eine Bibliothek der Dinge gründen möchten. Denn das ist ja die Idee: Wie es auch Carsharing-Anbieter:innen in fast jeder Stadt gibt, sollte es in Zukunft aus ökologischen und sozialen Gründen auch Bibliotheken der Dinge in (fast) jeder Stadt geben.
Allgemeine Zustimmung zum Carsharing, doch selbst nutzen dann doch nicht
Die Idee des Carsharing befürworten viele: Einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2018 zufolge (https://www.presseportal.de/pm/68494/4133634) können sich 25 % der Gesamtbevölkerung, und mehr noch bei den unter 49-Jährigen vorstellen, Carsharing zu nutzen. Aber deutlich weniger Menschen nutzen es dann tatsächlich. 2021 waren es nur knapp 4 % der Gesamtbevölkerung. Das lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Carsharing an sich ist für viele eine gute Sache, aber die Carsharing-Angebote passen dann häufig nicht.
Laut der Hohenheimer Studie konnten nur solche Carsharing-Anbieter wirklich überzeugen, die folgende Aspekte beachteten und anboten:
- (fast) nur elektrobetriebene Fahrzeuge, die alltagspraktisch sind
- Fahrzeuge sind bequem sowie flexibel nutzbar
- Flotte weist ein hohes Service-Level auf
Die Ergebnisse der Studie im Einzelnen
Also: Die Hohenheimer Forschenden führten viele Interviews, um herauszufinden, was den potenziellen Carsharing-Kunden wichtig ist. Klar im Vorteil waren Angebote, die dem sogenannten Free-Floating-Konzept folgen. Fahrzeuge können nach diesem Konzept an jedem beliebigen Ort im Stadtbezirk abgeholt und abgestellt werden, ohne an feste Stationen gebunden zu sein. Hervorgehoben wurde auch die Erwartung eines Full-Service-Angebots, ohne eigenständiges Tanken oder Reinigen, wie es bei einzelnen Angeboten auf dem Markt der Fall ist. Als ebenfalls wichtig erwies sich die Art des Preismodells, weniger wichtig hingegen war, ob es sich um einen privaten oder kommunalen Anbieter handelt. Und selbstverständlich braucht es hinreichend viele Fahrzeuge, um die Nachfrage decken zu können und nicht leer auszugehen, wenn man denn dann ein Fahrzeug braucht.
Das resultiert für Bibliotheken der Dinge daraus
Elektrofahrzeuge finden wir von der bib der dinge Bochum zwar gut, lassen diesen Punkt aber außen vor, da eine Bibliothek der Dinge keine Autos verleiht. Der Rest ist für Bibliotheken der Dinge (oder Leihläden) jedoch relevant.
Genauer heißt das, dass sie praktisch und günstig sein sollten, was zweifellos kein leichter Spagat ist. Die neuen Bibliotheken müssten das Free-Floating-Konzept umsetzen und einen Liefer-Service anbieten, der die Dinge zu den Menschen bringt und bei Bedarf dort auch wieder abholt. Sie benötigen als Alternative oder Ergänzung stadtweite Abholstationen, an denen die Menschen ihre bestellten Dinge abholen und zurückgeben können. Und zu guter Letzt braucht es natürlich viele für die Menschen nützliche Dinge zum Leihen. Zudem müssten sie einen Full Service anbieten und die Reinigung und Wartung (inkl. Reparatur) übernehmen sowie ein günstiges wie flexibles Preismodell anbieten. Dazu zählen Jahres-, Halbjahres- und Monatsmitgliedschaften, die nicht zu teuer sein sollten.
Passt! – das Angebot der bib der dinge Bochum
Die Aspekte der Verfügbarkeit von Dingen über das ganze Stadtgebeiet hinweg und der vollständige Service der Dinge von Reinigung bis Reparatur (sog. Free Floating und Full Service) bietet die bib der dinge Bochum an bzw. arbeitet daran. Das sieht man z. B. an unseren verschiedenen Abholstationen im Schauspielhaus, den Büchereien oder dem AstA der Hochschule Bochum.
Wie sich der Mitgliedsbeitrag einer Bib der Dinge erklärt
Der Beginn einer Bibliothek der Dinge ist also am Anfang besonders knifflig – es sei denn eine Bibliothek der Dinge muss keine oder nur wenig Miete bezahlen, wird von einer wohltätigen Person finanziell ausreichend unterstützt oder von der Kommune durchfinanziert (und betrieben). Private Betreiber einer Bibliothek der Dinge haben es zu Beginn also echt nicht einfach!
Danke, liebe Nutzende der bib der dinge Bochum!
Allen, die uns zu Anfang und seitdem beim Aufbau der bib der dinge Bochum durch ihre Mitgliedsbeiträge unterstützt haben und noch unterstützen, möchten wir an dieser Stelle Danke sagen. Dank eurem Glauben an uns sind wir jetzt so groß und haben ein umfangreicheres Inventar als noch zu Anfang. Und: Wir entwickeln uns natürlich weiter und versuchen unseren Service immer genauso anzubieten, wie ihr ihn braucht. Sollte es Wünsche oder Anregungen von eurer Seite geben, schreibt uns gern jederzeit eine Mail!
Literatur
R. Hahn et al. (2019). “I like it, but I don’t use it”: Impact of carsharing business models on usage intentions in the sharing economy. in: Business Strategy and the Environment, doi.org/10.1002/bse.2441
Fotos und Grafiken
Titelfoto von Maxim Hopman auf Unsplash mit eigener Bearbeitung des Displays
Diagram von carsharing.de
Foto im Text von RoseBox رز باکس auf Unsplash