bib der dinge

Neue Welt, neue Gesellschaft

Unsere Wirtschaft und Gesellschaft basiert historisch bedingt auf Wachstum

Im 20. und auch noch im frühen 21. Jh. galt die Formel: Mehr Produktion (von allem) = mehr Arbeitsplätze = mehr Konsum = mehr Wachstum und Wohlstand für alle = mehr Lebensqualität. Darum waren Wirtschaft und Gesellschaft in der Vergangenheit vor allem auf Wachstum ausgerichtet.

Doch dieses Wachstumsystem funktioniert nicht mehr

Solange der Wohlstand breiter Schichten durch Wachstum erzielt wurde, funktionierte das System. Aber das funktioniert schon seit einiger Zeit nicht mehr so richtig und zukünftig noch weniger: Die soziale Ungleichheit nimmt zu, weil der größte Teil des gesellschaftlichen Wohlstandes wie in aristokratischen Zeiten fast nur bei den obersten 15% hängen bleibt. Der Rest rackert sich ab, brennt dabei aus, und kann kaum oder nur wenig Vermögen anhäufen. Das gute Leben bleibt dabei auf der Strecke. Außerdem schwinden die Möglichkeiten ein gutes Leben zu führen, jeden Tag sowieso etwas mehr, weil der Planet jeden Tag etwas mehr erwärmt, geplündert, verschmutzt und zubetoniert wird und seine Regenwälder schwinden.

Den alten Wachstumskurs werden die Gesellschaften in Ost und West nicht mehr halten können, denn die Welt wandelt sich: Sie taumelt ins Anthropozän und von der Industrie- in die Digitalgesellschaft. In letzterer entstehen zwar neue Jobs, mehr aber werden automatisiert. ChatGPT und autonom fahrende LKWs sind hier nur ein Vorgeschmack. Zwar ist Wachstum für einige Branchen sinnvoll (z.B. für die Umweltindustrie), für die meisten aber nicht mehr (z.B. für die Finanz-, Auto-, Öl-, Vieh- und Tabakindustrie).

Die Welt wandelt sich und der Neoliberalismus kommt

Die Folge von business as usal ist eine düstere Zukunftserwartung. Grafitti: Banksy

Tatsächlich setzt ein Wandel ein – und auch er ist nur ein Vorgeschmack. Gemeint ist das Ende des seit 1980 fast weltweit „regierenden“ Neoliberalismus, wonach der freie Markt die meisten Probleme durch seine kapitalistischen Mechanismen regelt und die Politik nur am Spielfeldrand steht. Faktisch sind seit 1980 aber die soziale Ungleichheit und CO2-Emissionen, die Waldbrände, die Vermüllung der Umwelt mit Plastik, die Ausbreitung von Slums, Flüchtlingsströme, die internationale Unzufriedenheit mit dem Kapitalismus und politischer Populismus größer geworden. Zugleich hat sich gezeigt, dass der Staat in Krisenzeiten eben doch das Management der Gesellschaft übernehmen muss, um die Folgen einer Finanz-, Pandemie- und Inflationskrise und um die Energie-, Verkehrs- und Ressourcenwende zu bewältigen. Der freie Markt schafft das nicht; er ist keine Lösung, sondern ein Problem.

Stand der Neoliberalismus für weniger Staat, mehr Markt, schwenkt die „Großwetterlage“ von den USA (jedenfalls bei den Demokraten) über EU-Länder bis nach China in unterschiedlichen Graden ins Gegenteil um: Weniger Markt, mehr Staat.

Was braucht es von einem Staat, der sich wieder mehr einmischt für die Lösung der Probleme unserer Zeit?

Mehr Stadtgrün wäre wichtig, z. B. in der Form von vertikalen Gärten.

Aber was sollte der Staat wie anders machen? Er sollte nicht mehr privaten, sondern mehrgesellschaftlichen Wohlstand schaffen. Und zwar nicht durch bloßes Produktions- und Konsumwachstum wie in der Vergangenheit, sondern durch das Wachstum gemeinschaftlicher Güter. Das heißt: Nicht mehr Autos, sondern weniger Autos und damit weniger Luftverschmutzung und Staus, zugleich mehr Carsharing, besseren ÖPNV, 9€-Ticket, mehr Radwege, mehr Stadtgrün, mehr Vertical Farms, mehr Lehrkräfte, bessere Pflege und bessere Versorgung in Krankenhäusern und jaaa, auch mehr Bibliotheken der Dinge. Zudem sollten Unternehmen verpflichtet werden, Schäden an ihren Produkten zum Selbstkostenpreis zu reparieren. Weniger Markt heißt eben auch weniger Profitorientierung. Maßnahmen wie diese kämen allen zugute und wir würden nicht nur für (mehr) Geld arbeiten, sondern für eine sauberere Umwelt und für mehr Lebensqualität.

Es ist schlecht für Unternehmen wenn sie z.B. weniger Autos oder Zigaretten produzieren? Ist es. Aber es ist mittel- und erst recht langfristig schlechter für alle, wenn sie mehr produzieren. Umgekehrt müssen andere Unternehmen für die ökosoziale Wende ja mehr produzieren (z.B. Solaranlagen, Wasserstoffzüge usw.). Wir brauchen eben weniger vom Schädlichen und mehr vom „Guten“. Wird politisch zugleich die Senkung der Lebenshaltungskosten verfolgt (z.B. durch Car Sharing, 9€-Ticket, Bibliotheken der Dinge usw.), muss allgemein auch weniger verdient werden und viele Menschen haben weniger Stress. Weniger gestresst wird außerdem die Umwelt. 

Wie könnte eine Regierung dies umsetzen? Durch staatliche Vorgaben und finanzielle Unterstützung. Staatliche Vorgaben waren schon während des New Deals (1930er), der US- und UK-Kriegswirtschaften (1940er) und beim Moonshot-Programm unter J. F. Kennedy (1960er) sehr erfolgreich – und könnten es folglich wieder werden.

Wie könnten Staaten das bezahlen? Zum einen durch die Schließung von Steueroasen und die Streichung kollektiven Schaden anrichtender, „perverser“ Subventionen (z.B. auf fossile Energieträger, die allein in Deutschland ca. 50 Mrd €/Jahr betragen).
Zum anderen durch die Modern Monetary Theory. Letztere besagt, dass eine Regierung sich durchaus hoch bei seiner Zentralbank verschulden kann, ohne dabei Inflation oder Pleite fürchten zu müssen, wenn sie das Geld in produktive Programme investiert (z. B. in die Weltrettung), weil das Geld auf die ein oder andere Weise wieder zum Staat zurückkehrt. Die roten Zahlen des Staates sind die schwarzen Zahlen anderer – und die zahlen Steuern. Wenn simultan Wirtschaftszweige schrumpfen, die gesellschaftlich mehr Schaden als Nutzen stiften, kursiert nicht zu viel Geld in der Gesellschaft, wenn ein Staat seine „Druckerpresse“ aktiviert, um das notwendige Gemeinwohl-Programm zu finanzieren (d. h. keine Inflationsgefahr).

Regierungen könnten sich ein enormes ökologisches Konjunkturpaket und weitere das Allgemeinwohl fördernde Investitionen folglich leisten (es sei denn, es mangelt an Rohstoffen). Im Grunde können sie sich solche Ausgaben nicht nicht leisten.

Fazit

Wir befinden uns mit der Abkehr vom Neoliberalismus wohl tatsächlich auf dem Weg zu einer neuen (und hoffentlich gemeinwohlorientierten) Wirtschaft und Bibliotheken der Dinge können darin eine Rolle spielen.

Quellen

Aaron Sahr (2022). Die monetäre Maschine. C.H. Beck
Calum Chase (2016). The Economic Singularity. Three Cs
Club of Rome (Hg.) (2021). Earth for All. Bekomm
Juliet Schor (2010). Plenitude: The New Economics of True Wealth. Penguin Press
Mariana Mazucatto (2014). Das Kapital des Staates. Kunstmann
Naomi Klein (2019). The Green New Deal. Hoffmann und Campe
Oliver Stengel (2016). Jenseits der Marktwirtschaft. Springer
Sara Weber (2023). Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem Arbeiten? Kiepeneheuer & Witsch
Stephanie Kelten (2020). The Deficit Myth. Public Affairs
Ulrike Herrmann (2022). Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden. Kiepenheuer & Witsch

Bildquellen: pexels, Banksy

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