bib der dinge

Der Tod der Shoppingmeile – oder: Shoppen im Metaverse

(Bild: Pixabay)

Beginnen wir mit der Shoppingmeile: Die wurde in den USA „erfunden“. Jahrtausende waren alle Gesellschaften Mangelgesellschaften, denn von allem gab es für die meisten zu wenig. Dann setzte die industrielle Massenproduktion ein. Mehr Dinge denn je konnten nun so billig wie nie produziert und konsumiert werden. Neue Läden ploppten auf, die die unterschiedlichsten Waren anboten. Warenhäuser entstanden – und in den 1920ern in New York und Chicago die ersten langen Einkaufsstraßen, in denen sich Laden an Laden reihte.

Die Shoppingmeilen verbreiteten sich in den folgenden hundert Jahren weltweit. Aber dann, in den 2020ern setzte ein Gegentrend ein: Laden um Laden verschwand. Gekauft wurde nun im Internet und das Gekaufte wurde nach Hause geliefert. Jaja, das wissen Sie alles schon – aber hier ist die Entwicklung eben noch nicht zu Ende: In den 2020ern entsteht nämlich allmählich etwas Neues: Das Metaverse. Und eben dort wird bald wahrscheinlich mehrheitlich eingekauft werden.

Was ist denn das Metaverse? Es ist die dritte Entwicklungsstufe des Internet. Über das Internet 1.0 (1969-2004) konnten erst nur Texte und dann einige Bilder (laaangsam) übertragen werden. Im Internet 2.0 (2004-2020) dagegen schon Videos und Ton sowie interaktive Inhalte (Social Media). Das Internet 3.0 (2020-…) ist betretbar! Man „geht“ da tatsächlich rein – mit VR, AR, MR bzw. mit einer Brille (oder in den 2030ern mit speziellen Kontaktlinsen) und kabellosen „Kopfhörern“ und optional mit haptischem Handschuh oder Anzug, um fühlen zu können. Man kann sich das Metaverse also wie eine digitale Parallelgesellschaft vorstellen – und in dieser gibt es u.a. Cafés, Einkaufsstraßen und Shopping Malls wie im 20. Jh. – nur ganz anders und viel aufregender. Man kann dort wohnen, arbeiten, seine Freizeit verbringen und shoppen. Die ersten Konzepte liegen bereits vor: Sie können z.B. eine Mall betreten, die in einer Raumstation um die Erde schwebt. Sie können Freunde in Nachtclubs des Jahres 2.300 (naja, oder in Wirtshäusern des Jahres 1.300) treffen. Sie können Kleidung in Boutiquen auf einem Jupitermond kaufen – und Sie können dort tausende Kleidungsstücke digital anprobieren und kombinieren: Ihr Avatar, der dann Ihre Körpergröße hat, kann, während Sie zu Hause sind, in Sekunden oder wenigen Minuten Hunderte, entweder speziell für das Metaverse oder für die physische Realität designte Kleidung durchprobieren und kaufen. Die Idee dabei: Je ungewöhnlicher, abgefahrener, stylisher und überwältigender ein Shop im Metaverse ist, desto mehr wird impulsiv gekauft. Das dürfte, sofern sie nicht ins Metaverse abwandern, der Tod der meisten Einzelhändler werden („Retail Apokalypse“) – und vielleicht sogar der Tod des globalen Ökosystems.

(Bild: Konzeptt von Metamall)

Denn wenn acht oder neun Milliarden Menschen wirklich im Metaverse shoppen, wird der Strom- und Rohstoffverbrauch gigantisch werden. Diese Aussicht wird die Entwickler des Metaverse (und in dessen Entwicklung werden ggw. und weltweit hohe Milliardenbeträge investiert) wohl nicht aufhalten. Aber das macht die Share Economy umso wichtiger! Freilich wird sie sich ebenfalls anpassen und das Sharing (auch) ins Metaverse verlagern müssen. Die bib der dinge befindet sich dann vielleicht in den antiken Hallen der Bibliothek von Alexandria wieder oder in einer Welt, die Ernest Callenbachs „Ecotopia“ entspricht. Darüber werden wir dann als Avantgardisten mal um 2030 ernsthaft nachdenken müssen.

Apropos “Tod der meisten Einzelhändler“. Am 16.9. führt artEnsemble das Theaterstück „Tod eines Einzelhändlers“ auf. Wo? Na, in der bib der dinge! Und um das Metaverse wird es in dem Stück dann auch gehen…

Literatur

Matthew Balls (2022). Das Metaverse – und wie es alles revolutionieren wird. München

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